Ein Jubiläum – das ist normalerweise der Zeitpunkt, an dem man zurückblickt. Vor 30 Jahren haben wir zur Verleihung des Schinkelpreises am 13. März 1994 das Büro gegründet. Rückblickend gibt es einige Entscheidungen, die wir heute anders fällen würden. Wobei man dabei schnell übersieht, dass unser größtes Kapital unsere Naivität war. Sozialisiert in der Friedens- und Ökologiebewe gung haben wir während einer Wirtschaftskrise studiert. Viele der heutigen ökologischen, sozialen und politischen Probleme klingen für uns allzu bekannt. Was sich geändert hat, ist die Dringlichkeit, diese Herausforderungen wirklich zu lösen. Auch wenn wir nach 30 Jahren den Zustand einstiger Naivität nicht wiedererwecken können, war es uns wichtig, zu unserem Jubiläum ein Symposium zu veranstalten, das sich mit diesen Themen der Zukunft auseinandersetzt. Ein Symposium, mit dem wir zeigen können, dass uns weder die Zuversicht noch das Vermögen verloren gegangen ist, diese komplexen Probleme konstruktiv anzugehen.
Achtung: das Denkmal
Silke Langenberg (Prof. Dr. ETH Zürich)
Leila Unland (P.O.N.R., Abbrechen-Abbrechen, München)
Max Otto Zitzelsberger (Jun.-Prof. RPTU Kaiserslautern)
Die Idee des Denkmalschutzes, am besten verkörpert von Eugène Viollet le Duc, könnte man als eine Erfolgsgeschichte lesen. Die Monumente der Stadt, als Bild unserer Kultur in Stein, werden für immer erhalten. Dicht gedrängt in den Innenstädten als eine touristische museale Attraktion werden sie im Hier und Heute zu einem für immer festbetonierten Abbild der Vergangenheit. Das überforderte Denkmal, die Absurdität wird erst auf den zweiten Blick deutlich: Eine vergangene Kultur zu bewahren, wird zu einer eigenen Kulturtechnik. Dabei geht es gerade heute darum, sich nicht nur auf die Hauptdarsteller der Stadt, die Monumente zu konzentrieren, sondern auch um die weniger geliebten Nebendarsteller. Den Respekt für all jene Gebäude des Alltags wiederzufinden, in denen viele Ressourcen gebunden sind. Es ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll, diese Bausubstanz unbeachtet zu lassen, und vielleicht entsteht aus der Diskussion über die Pflege und Reparatur wieder eine neue Kultur des Weiterdenkens von Bauten, die es auch schafft, die als Denkmal erstarrten Monumente wieder zu befreien.
Architektur ohne Bauen?
Podium 2Florian Hertweck (Prof. Dr. Universität Luxemburg)
Felix Hilgert (LEHMAG AG, Forschung Architektur und Regenerative Materialien Professur Roger Boltshauser, ETH Zürich)
Christina Köchling (Jun.-Prof. Bauhaus Universität Weimar)
Bei aller Sorgfalt, aller Vorsicht gegenüber dem Bestand ist die Pflege, die Umnutzung, der Umbau auch ein Teilneubau. Um die Stadt, um die Architektur an die Erfordernisse der Zeit anzupassen, werden wir sie immer wieder neugestalten. Bauen ist Weiterbauen, so hat es bereits Lucius Burkhard definiert. Der momentane Fokus auf den CO₂-Footprint der einzelnen Baustoffe ist dabei keine langfristige Lösung. Der Neubau von heute ist der Bestand von morgen, die Bauaufgabe von übermorgen. Erst wenn wir den Städtebau, die Gebäudetypologie, die Raumstruktur unter dem Aspekt einer offeneren flexibleren Nutzung betrachten, erst wenn wir jeden einzelnen Teil der Konstruktion im Sinne der Kreislaufwirtschaft auf ihre Fähigkeit überprüfen, sich reparieren oder sinnvoll ersetzen zu lassen, erst wenn wir offen sind gegenüber dem kommenden Wandel, haben wir eine Chance, wirklich nachhaltig zu wirtschaften.
Kochen, Essen, Sammeln, Waschen, Ruhen, Zeichnen
Podium 3Gesche Bengtsson (etal., München)
Patrick Gmür (Prof. em., Baudirektor em., Zürich)
Lisa Yamaguchi (Prof. TU Graz)
Es gibt Häuser und Wohnungen, die auf geheimnisvolle Art zur Essenz eines Lebens geworden sind. Die nach und nach die Geschichte(n) ihrer Bewohnerinnen und Bewohner offenlegen. Gegenstände, Räume, die von einer Vergangenheit erzählen, einer Kultur des Zusammenlebens. Es ist eines der Geheimnisse des Wohnens, einen Ort zu schaffen, der alles vereint: Kochen, Essen, Sammeln, Waschen, Ruhen, ein Ort der Pflege und des Rückzugs. Wohnen zu planen für andere, sich unter den Bedingungen des Massenwohnungsbaus Raumfolgen zu überlegen vom Stadtraum bis in die intimsten Bereiche des Privaten, das bleibt eine der spannendsten Herausforderungen. Um die Form zu ringen, die offen genug ist, um für die Menschen, die darin wohnen, individuell verwandelbar zu sein und – auf der anderen Seite – ausreichend spezifisch als Architektur zu sein. Räume, in denen sich wieder das Geheimnis des Wohnens entfalten kann.
Podium 1 (S. 7): Milena Bovet, Leonie Fest, Ansgar Keller, Anna Ludwig, Ansgar Stadler (1, 2) P.O.N.R. (3) Magdalena Joos (4) Felix Marco Lorentz (5, 6)
Podium 2 (S. 10): Florian Hartweck (1, 2) LEHMAG AG (3, 4) Philip Heckhausen (5) Karina Castro (6)
Podium 3 (S. 13): etal. (1, 2) Rita Palanikumar (3, 4) Carbo Ramon Casas, Frau näht, 1890 (5) Caroline Walker, the Puppeteer II, 2013 (6)